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Jeroen Vermeire und Siena

 

 

 

 

 

Die Galerien für zeitgenössische Kunst werfen seinen Zeichnungen und Skulpturen vor, sie seien „veraltet” oder „unzeitgemäß”. Anders die Direktoren des Palazzo Pitti in Florenz und des Museums von Verona, die sich anboten, seine Werke auszustellen.

Gleichzeitig geht unter den Kunstsammlern Europas das Gerücht um, dass in der hintersten Toskana ein ganz erstaunlicher Künstler von sich reden macht: Jeroen Vermeire, dessen Kunst niemanden gleichgültig lässt!

Um diese erstaunliche Persönlichkeit zu treffen, muss man sich auf den Weg nach Chiusdino, einem kleinen Ort 32 km von Siena entfernt, begeben.

Eine Buslinie gibt es schon, allerdings fährt täglich nur ein Bus und es besteht keine Möglichkeit, noch am gleichen Tag nach Siena zurückzukehren ... Am besten fährt man also mit dem Auto, was noch dazu den Vorteil hat, dass man einen kleinen Abstecher zur Abtei San Galgano und zum Dorf Monticiano ganz in der Nähe einplanen kann.

Nachdem man das Dorf Rosia hinter sich gelassen hat, wird die Straße immer kurviger und führt durch Eichenwälder, die aufgrund des feuchten und milden Klimas, das in diesem Teil der Toskana vorherrscht, besonders dicht und grün sind.

So gelangt man schließlich nach Chiusdino. Vorsicht jedoch: Jeroen Vermeire ist ein viel beschäftigter Mann, der nicht jedem hergelaufenen Touristen seine Werke vorführt. Es ist also unbedingt ratsam, vorher telefonisch einen Termin mit ihm auszumachen.

Jeroen Vermeire, Jahrgang 1960, ist gebürtiger Flame und besuchte die Kunstakademien von Gent und Brüssel. Wie Michelangelo, dessen Werk er in und auswendig kennt, besuchte er Anatomie- und Sezierungskurse. So spezialisierte er sich auf den menschlichen Körper, dessen Schönheit er in Zeichnung und Skulptur auf den Grund geht.

Seine unglaublich sorgfältigen und detailgenauen Zeichnungen in Dürer-Manier dienen ihm als Vorlagen: Hände, Beine, Oberkörper, Füße, Gesichter, mit allen möglichen handschriftlichen Anmerkungen versehen, füllen hunderte von Blättern. Sein Skizzenpapier lässt Vermeire speziell bei einem sienesischen Papiermacher anfertigen. „Ich liebe die Skizzen”, erklärt er, „denn wer kann schon sagen, wann eine Zeichnung oder ein Gemälde vollendet ist? Ein Künstler ist für mich ein Forscher, er beobachtet und hält etwas Lebendiges fest, das sich in ständiger Veränderung befindet”.

Seit 20 Jahren lebt der Künstler mit Frau und Kindern hier in der Toskana, fernab aller theoretischen und finanziellen Spekulationen, die den Kunstmarkt beherrschen. Sein Leben teilt sich in zwei Aktivitäten: die Restaurierung alter, verfallener Häuser für Kunden aus ganz Europa (sein Broterwerb) und die Kunst (Zeichnung und Skulptur). Und im Grunde bilden diese zwei Beschäftigungen, denen er sich mit gleicher Virtuosität widmet, ein einziges Ganzes: „Kunst ist für mich nicht etwas Außergewöhnliches sondern einfach ein Teil des Lebens.

Mit Holz oder Stein zu arbeiten, ein Haus zu bauen, das ist auch eine Form von Kunst, genau wie die Skulptur eines Frauenkörpers zu realisieren. Ich unterscheide nicht zwischen Kunst und Handwerk, wie man es im Allgemeinen tut; ich denke, diese Unterscheidung haben wir von den alten Griechen übernommen, denen Handarbeit als unwürdig oder knechtisch galt. Ich sehe das anders. Die körperliche Arbeit fließt in die Entstehung eines Kunstwerks mit ein. Ich stelle meine eigenen Tinte her, das ist für mich ein Teil der Geste des Zeichnens.”

Nachdem wir sein winziges, mit Carrare-Mamor vollgestelltes Atelier besichtigt haben, zeigt uns Vermeire die Häuser, die er mit Originalmaterialien restauriert hat und die sich perfekt in die Landschaft einfügen. Die Umgebung hier strahlt eine solche Ruhe aus, dass man sich nicht wundern würde, hinter der nächsten Wegbiegung Franz von Assisi zu begegnen. Der Duft von feuchter Erde, von Feigen und Geißblatt wird abgerundet durch das unglaublich sanfte Licht. „Warum sollte ich in Paris, Rom oder Berlin ausstellen, wo die Natur hier so schön ist? Wenn die Leute meine Werke sehen wollen, sollen sie einfach hier herkommen ...”

Jeroen Vermeire
Chiusdino
Tel.: (00 39) 0577 75 0690