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Seen in Oberitalien

 

 

 

 

               
Seen in Oberitalien
  Vorbemerkungen            
               
               

Wir haben nicht vor in Italien ein Land der Seen, ein zweites Finnland zu entdecken, obwohl sich seit vielen Jahren die Phantasie des Volkes an der Idee entzündet, ein Netz von Kanälen zwischen den inneren Wasserbecken und dem Meere zu ziehen, wie dies in der Po-Ebene bereits geschehen ist.

Italiens Seen-Reichtum ist bekannt; und es überrascht vor allen Dingen, sie auch in Zonen anzutreffen, wo man durch relativen Regenmangel dies am wenigsten erwarten würde.

Wer die Halbinsel an einem klaren Tag überflogen hat oder nur in den Morgenstunden auf den Monte Cavo, oberhalb von Rocca di Papa gestiegen ist, um vielleicht dort am Mittag zu essen, erblickt am Fusse eines Abhanges von über tausend Metern, die beiden Seen von Albano und Nemi, welche nur durch den Rücken des Monte Gentile getrennt sind. Für diese beiden brunnenartigen Becken, die sich im Grunde der alten Krater einer vulkanischen Erde gebildet haben, sind nicht viele Erklärungen notwendig.

Die Albaner-Berge beschreiben zwischen Tusculum und Velletri einen Kreis, dessen Grund in alten Zeiten von einem grossen See mit verstreut liegenden Inseln bedeckt gewesen sein muss. Mit der Austrocknung des Wassers formten sich die Inseln zu den spitzen, kegelförmigen Bergen des Monte Cavo, des Monte Faete, des Monte Pennolo und des Monte Gentile, während sich die dazwischen liegenden Täler mit Wäldern und Weinbergen bedeckten.

Nur zwei Niederungen, die tiefer als alle anderen lagen bewahrten ihre Wasser und sind heute die vorhergenannten Seen. Freilich ist die grössere der beiden Wasserflächen, der Albaner-See, mit einer Oberfläche von 600 ha, in ein paar Stunden bequem zu umwandern; und der andere, der Nemi-See, ist nicht einmal halb so gross wie sein Nachbar. Aber gerade diese bescheidenen Proporzionen der Seen Mittel-Italiens und ihr besonderer Charakter, liefern einen bestimmten Beitrag zur Physiognomie der italienischen Landschaft.

An Seen fehlt es also nicht und es sind ihrer wirklich viele, aber sie erinnern an Regenpfützen, die sich in einem Gebiet nach Unwettern gebildet haben. Sie erwecken den Eindruck, als seien sie im Verschwinden, im Austrocknen begriffen. Sie besitzen etwas Provisorisches und die Menschen, die von Zeit zu Zeit einen von ihnen trocken legen, wie es zum Beispiel mit dem Fucino geschah, unterstreichen, ohne es zu wollen, diese Ungewissheit.

Aber diese Ungewissheit ist nur scheinbar. In Wirklichkeit sind die Seen so geblieben wie sie einstmals, seit Italien in der uns bekannten Gestalt besteht, entstanden. Und-sie gleichen sich alle: Trasimeno, Bracciano, Massaciuccoli, Piediluco, Martignano, Montepulciano, Chiusi, Bolsena, Albano, Vico, Scanno, Averno, Laceno, Monticchio, Zirino, häufig mit einer lieblichen Insel in der Mitte, manchmal auch zwei wie der Bolsena-See oder auch gar drei wie der Trasimeno.

Oft sind sie tief, wie der See von Bracciano, der im Zentrum eine Tiefe von 160 m erreicht also fünfzehn Meter tiefer als der Bolsena-See ist.

Alle sind fischreich mit schier unerschöpflichen Reserven von Schleien, Hechten, Weissfischen, Aalen, Barben und Karpfen. Alle sind zwischen felsigen Ufern, mit einer niedrigen, ein wenig wilden Vegetation eingezwängt, die noch den Atem der Lava und Asche besitzt, und die Labilität einer fast prähistorischen Landschaft verrät, die ihre Treue zum Ursprung, ihre Unberührtheit, ihre Jugend und ihre enge Verbundenheit zur Landschaft bekundet.

In den meisten Fällen verbindet sich die Idee eines Sees mit dem Begriff des Anmutigen, Wohlgefälligen, Blumengeschmückten. Ist nicht für das grosse Publikum ein See gleichzeitig mit einer Villa, Motorboot, Segel-und Kahn-Fahrten, Gärten, Ausflügen, Liebe und Glück verbunden?

Für Italien bleiben diese fröhlichen Attribute das Privileg weniger Seen im Norden. Der grösste Teil der Seen der Halbinsel ist unbekannt geblieben, sie besitzen auch ganz andere Kriterien wie Einsamkeit, Strenge, Melancholie. Diese Seen-Art ladet weniger zu Bootsfahrten ein; sie dient mehr für wissenschaftliche Stationen, zur Beobachtung von Erdbeben, Pfahlbauten, und prähistorischen Versammlungsstätten.

An diesen Seen gibt es Höhlen, die mit primitiven Malereien geschmückt sind und in denen Gebrauchsgegenstände der Steinzeit gefunden wurden. Der Reichtum der Fauna, mit den gebackenen üppigen Fischgerichten in Bellagio und Sirmione, lässt das Publikum heute nicht mehr an die Nöte einer Epoche denken, wo selbst der Fischfang ein zu schwieriges Problem darstellte, und den Kiemenatmern keinerlei Gefahr drohte.

Es ist eine symptomatische Tatsache, dass auch im Norden Italiens, Seen dieser Art durchaus nicht selten sind. Zu dem Comer-See, dem Lago Maggiore und dem Garda-See, kommen alle die vielen Seen von Antronapiana, Candia, Avigliana, Mergozzo, Viveron, Pusiano, Annone, Segrino, Avio, San Floriano, Santa Croce, Molveno, Ledro, Levico, Caldonazzo und Braies hinzu.

Der Aspekt der Seen der Po-Ebene hingegen ist viel heiterer als der ihrer Brüder im Apennin, weil das weniger heisse Klima eine reiche Baumvegetation unterhält und Koniferen, Bäche und Weiden sie bewohnbarer machen. Aber ihre Funktion im geologischen Gesamtbild der Halbinsel ist identisch.

Dimensionen und Volumen stehen im rechten Verhältnis mit ein ander. Auch hier steigt der Grund geheimnisvoll bis zu 140 und 160 m herab. Auch hier finden wir Inseln, wohl zukünftige Bergspitzen, wie San Giulio im See von Orta, die vier Borromeischen Inseln und die Felsen von Cannero im Lago Maggiore, ferner die Insel Comacina im Comer-See, Montisolal die grösste der Insel im Iseo-See und die Virginia-Insel im See von Varese.

Und wie im See von Bolsena die Insel Martana das tragische Ende Amalasuntas sah, so haben auch hier die Inseln ihre Geschichte: San Giulio besitzt eine Basilika aus dem 5. Jahrhundert, die Borromeischen Inseln tragen stolze Paläste und monumentale Gärten.

Die Felsen von Cannero bilden die Basis für eine eindrucksvolle Burgruine, die Comacina ist eine Blutzeugin der Kämpfe des Mittelalters und Virginia besitzt sogar Reste von Pfahlbauten.

Italien würde also ein Land von vulkanischen Becken, von überschwemmten Kratern, von dunkelen, stummen, trägen, ein wenig verräterischen Wassern, zwischen einem Strom und einer Thermal-Quelle, einem Schwefelbad und einem Schlammbett, sein, wenn, wie in der Schweiz, die Alpen an ihrem Fusse nicht drei riesige Seen gebildet hätten, auf denen Winde entstehen und Stürme ausbrechen können, wo Dampfer und Segelboote kreuzen, wo es Drahtseilbahnen gibt und die grossen Hotels, der Treffpunkt einer internationalen Welt, regieren, wo Liebende zwischen einer Umarmung und einem Roman träumen und wo man das Ende seiner Tage verbringt.

Die Namen dieser Seen stehen seit langer Zeit in den Herzen der Menschen geschrieben, die nicht müssig werden, den Zauber dieser grossen Wasserbecken zu gemessen.

Vielleicht darf man sagen, dass im Vergleich zu anderen Seen des kontinentalen Europas, sich die drei grössten italienischen Seen wie eine Musik, die einen Ton höher transponiert ist, darstellen. Wenn woanders die Sonne scheint, so sind es hier wahrscheinlich deren zwei.

Wenn an anderen Seen Tannen wachsen, so gedeihen hier auch Palmen, Magnolien, Oleander und Rosen. Wenn man an anderen Seen gern die Sommermonate verbringt, hier verweilt man auch herzlich gern in den Wintermonaten.

Wie in den Schaufenstern eines Juwelenhändlers, so stellt jeder dieser drei Seen seine seltensten Stücke aus.

Der Lago Maggiore: Stresa und Pallanza, Baveno und Isola Bella, Premeno und den Mottarone. Der Comer-See zeigt: Cernobbio und die Villa d'Este, Tomo und die Pliniana, Bellagio mit der Villa Serbelloni, Tremezzo mit der Villa Carlotta, die dem Andenken Canovas und Thorwaldsen geweiht ist, sowie Cadenabbia mit dem teuren Schatten Longfellows.

Der Garda-See besitzt: Sirmione mit der Scaliger-Burg und den Grotten des Catull, Gardone mit dem Vittoriale und der Villa Alba, Riva mit einem Badestrand und Malcesine mit dem Monte Baldo.

Die Welt besitzt viele schöne Dinge, aber so viele wie hier vereint sind, werden wohl schwerlich auf so kleinem Raum vereint zu finden sein; denn die Schönheit ist hier, fast ans Wunderbare grenzend, eng und vielseitig aufgehäuft.

Die wunderbarsten Ausblicke ändern sich alle zwanzig Schritte, Villen überschneiden andere Villen und Gärten verbinden sich zu herrlichen Parkanlagen.

Die Angelegeplätze grüssen sich von Ufer zu Ufer. Das Gesamtschauspiel bietet einen solchen Reichtum, wie ein Salon der mit kostbaren Möbeln überfüllt ist und wo man Angst hat, einen Stuhl umzustossen oder ein kleines Kunstwerk zu zerbrechen, wenn man sich rührt.